Blauverschlossene Träume

Jeder hat schon einmal erlebt, dass einem Träume wie die Realität vorkommen, oder die Realität wie ein Traum. Es scheint, als habe sich die Welt ein klein wenig verrückt. Etwas stimmt nicht, aber man kann es nicht fassen. Sieht man sich in seiner Umgebung um, ist alles wie immer. Normal, aber doch scheint die Realität ein wenig anders zu sein. So wird eine dritte Realität geschaffen.

Die reale Welt mischt sich mit einer Traumwelt. Merkwürdige Dinge passieren in der Realität, wie sie sonst nur in Träumen vorkommen. Personen rufen an, die scheinbar alles wissen und geben kryptische Hinweise. Die Welt dreht sich, läuft anders als zuvor, aber die anderen Menschen scheinen dies nicht wahrzunehmen. Sie gehen ihren gewohnten Tätigkeiten nach. Nur ab und an taucht eine Person auf, die auch mehr zu wissen scheint, aber nur noch mehr Verwirrung stiftet.

Dennoch erscheint diese „Zwischenwelt“ wie eine weitere Realität, da die Personen und Gegenstände ja wirklich da sind, sprechen, essen, leben. Es geht allerdings nicht darum, ob ich an diese traumähnliche Wirklichkeit glaube. Ein jeder kennt sie aus kurzen traumhaften Momenten. Es lohnt sich auf jeden Fall, sich ein wenig damit auseinanderzusetzen.

Willi Halbritter

Künstler und Ausstellung

Willi Halbritter absolvierte in Berlin ein modulares Studium zum Mediendesigner und Projektmanager, später arbeitete er in einer Werbeagentur. Doch schon bald stellte er fest, dass ihn das Handwerk des Gestaltens mehr reizte als nur am PC zu sitzen.
Eine alte Andruckpresse mit einigen Sätzen Bleischrift aus dem Besitz eines Freundes eröffnete neue Wege, als er 2006 nach Ellingen umsiedelte. Mit diesen Lettern entdeckte Halbritter nicht nur seine Liebe zum Druckhandwerk, sondern auch eine ideale Möglichkeit, sich grafisch neu auszudrücken.
Heute besitzt der Künstler eine der umfangreichsten Schriftsatzsammlungen Deutschlands mit Charakteren aus Holz und Blei. In seiner Arbeit verbindet er moderne Technik mit altem Handwerk. Seine zweite Leidenschaft sind Zeitschriften zum Thema Werbung, Reklame, Typografie und Gebrauchsgrafik.
Anlässlich des Kunstsommers von Regens Wagner Absberg hat Willi Halbritter Teile seiner „historischen Druckwerkstatt“ in das Kunstbesetzte Haus verlegt. Dort können Besucher nicht nur Werke des Künstlers bestaunen, sondern ihm oft auch bei der Arbeit zusehen und - sofern es die Situation erlaubt - sogar selber drucken.
Interessierten empfehlen wir die Teilnahme an den begleitenden Workshops. 

Ausstellungen und Projekte:

  • 2003-2005 Ausstellungen im Kunsthaus Bethanien/Berlin
  • 2007-2008 Projekt Villa Hügel in Ellingen
  • 2009-2011 Tage des offenen Ateliers in der Villa Hügel 2012 Ausstellung in der Kunstschranne Weißenburg „Grafische Welten“
  • 2013 Tag des offenen Ateliers und Ausstellung bei den Weißenburger Kunsttagen
  • 2014 Ausstellung Stadtbücherei Gunzenhausen „vieles wächst im Verborgenen“
  • 2014-2016 Ausstellung mit Druckvorführung bei den Weißenburger Kunsttagen.
  • 2016 Ausstellung im Kulturzentrum Forsthaus in Treuchtlingen
  • 2017 Ausstellung in München im Cafe Weisser Raabe.
  • 2018 Druckprojekt „Nussbaumpark“ in München
  • 2019 Druckaktion mit Kindern aus einem Problemviertel in Buenos Aires
  • 2019 Projekt „Pappenheimer Wörter“ im K14 in Pappenheim

 

Kunstsommer-Workshops

Ausstellungsbegleitend fanden mehrere Workshops statt. Menschen mit und ohne Behinderung begegneten  sich auf Augenhöhe, um gemeinsam schöpferisch zu arbeiten und in einen Dialog zu treten.

Collage Vernissage

Gespräch mit Willi Halbritter


Willi, erzähl uns ein wenig über dich. Wie bist du Künstler geworden?

Zu zeichnen angefangen habe ich 1985 in Berlin, wo ich seinerzeit als Schlosser gearbeitet habe. Ich bin nämlich eigentlich Schlosser von Beruf. In Berlin bin ich viel in Ausstellungen gewesen und so bin ich auf die Kunstschiene gekommen. Ich habe dann Ausbildungen gemacht, hab‘ Grafik studiert und anschließend in Werbeagenturen gearbeitet. Auch im Messebau - dort muss man oft improvisieren und ganz markante Dinge schaffen, die sich einprägen. Das hat sich auch auf meine Malerei ausgewirkt. Meine Bilder sind alle recht reduziert, sie beschränken sich auf wenige Elemente und auf das Wesentliche, mit klaren Formen und Strukturen. Das hat den Vorteil, dass sie gut in Erinnerung bleiben.


Deine Arbeit in der Agentur hat dich dann irgendwann nicht mehr ausgefüllt.

Ja, ich hab‘ zu viel am PC gesessen. Ich hab‘ dann die Buchstaben für mich entdeckt, die haben mich fasziniert, ich bin ja auch ein bisschen Handwerker. Ich bin die letzten zehn Jahre durch ganz Deutschland gefahren und hab‘ mir Schriften und Maschinen besorgt.


Wie viele Druckmaschinen hast du aktuell?

Aktuell sind es acht. Ich hatte schon mehr, habe aber wieder welche abgegeben, die einfach nicht zu mir und meiner Arbeit gepasst haben.


Wieso braucht man, brauchst du überhaupt mehrere Maschinen?

Das liegt zum einen an der Größe der zu druckenden Endformate. Für eine Flyer brauche ich eine entsprechend kleine Maschine. Für unterschiedlich hohe Lettern brauche ich eine Presse, die entsprechend höhenverstellbar ist. Von diesen Modellen besitze ich drei.


Du hast dann eine Vorliebe für Holzlettern entwickelt.

Ja, für den Plakatdruck sind Bleisätze auch viel zu schwer, deshalb hat man die in Holz geschnitten. Ich mach ja viel Plakatdruck. Ich habe früher auch viele Bleisätze gehabt, bin aber immer mehr auf Holz umgestiegen. Irgendwie habe ich zum Holz eine engere Beziehung, eine echte Leidenschaft entwickelt. Aktuell sind so um die 300 Schriftsätze aus Holz in meinem Besitz. Dazu kommen noch rund 200 Sätze aus Blei.


Wie findest du dann die passenden Schriften für deine Projekte?

Ich weiß, wo jede einzelne Schrift liegt, wie diese aussieht, wie sie heißt und wo sie herstammt. Für meine Projekte hole ich mir die passende.


Wer hat die Schriften erfunden und hergestellt?

Schriftentwerfer waren Künstler, die in den Schriftgießereien gearbeitet haben. Die Buchstaben müssen ja nicht nur optisch stimmig zueinanderpassen, sondern auch schön und harmonisch nebeneinander aussehen. Abstände, Proportionen - alles muss passen. Für die Abstände beim Druck nimmt man so genannte Regletten aus Metall. Für größere Abstände gibt es Stege. Die sind so genormt, dass sie alle ineinanderpassen. Die meisten meiner Schriften stammen aus den 60er-Jahren, meine älteste Schrift stammt aus dem Jahr 1890. Mit der Erfindung des Offset-Drucks, also des Fotosatzes, ist die Drucktechnik mit den Holzlettern quasi ausgestorben.


Die Ausstellung hat den schönen Titel „Blauverschlossene Träume“. Was hat es damit auf sich?

Dazu möchte ich nicht zu viel vorgeben. Zu sehen sind große quadratische Bilder, Acryl auf Leinwand. Die darauf abgebildeten Motive haben mit Träumen zu tun und sind alle sehr reduziert. Teilweise habe ich über 6 Monate gebraucht, um eine Lösung zu finden, wie ich das Motiv am besten darstelle. Den Bildern gemeinsam ist, dass der Betrachter gezwungen wird, sich mit dem Bild zu beschäftigen. Ich hab‘ auch keine Titel daruntergeschrieben, damit der Sinngehalt offen bleibt und der Betrachter völlig unbeeinflusst assoziieren und interpretieren kann. Jeder sieht etwas anderes in dem Dargestellten, das finde ich schön. Viele meiner Bilder entwickeln ihr Geheimnis erst auf den zweiten Blick, weil plötzlich irgendetwas merkwürdig erscheint.


Was antwortest du Besuchern, die dich direkt hinsichtlich der Bedeutung der Motive ansprechen?

Ich erarbeite gemeinsam mit dem Interessierten das Bild und dessen Inhalt, weil ich möchte, dass jeder sich seinen eigenen Reim darauf macht. Ich möchte Raum geben für eigene Vorstellungen, Fantasien, Empfindungen und Interpretationen. Ich mag es sehr, wenn ich merke, dass es in den Köpfen rattert.


Neben deinen Acrylbildern sind auch eine Reihe deiner Plakate ausgestellt, die du in deiner Druckwerkstatt erstellt hast.

Ja, zur Ausstellung habe ich einen Teil meiner historischen Druckwerkstatt und darin entstandene Plakate ins Kunstbesetzte Haus ausgelagert. Dort werde ich auch regelmäßig anzutreffen sein. Wer Lust hat, kann mir nicht nur bei der Arbeit zusehen, sondern auch selbst aktiv mit Hand anlegen und ein Plakat drucken. Ich bitte jedoch bereits jetzt um Verständnis, wenn das nicht immer und zu jeder Zeit möglich sein wird. Es ist ein wunderschöner Prozess, wenn man nach der ersten Idee daran geht, die Umsetzung zu erarbeiten, also die passende Schrift, die Farben und Motive auszuwählen. Auch das Haptische, das Setzen der Letter, das macht etwas mit dir.


Du gehst gern auf Reisen bist viel unterwegs. Wie ich gehört habe, begleitet auch dort dich deine Begeisterung für den Druck.

Ja, ich besuche Drucker auf der ganzen Welt und tausche mich mit ihnen aus. Drucker sind oft interessante Leute. In Argentinien habe ich auch ein Druckprojekt mit Straßenkindern durchgeführt. Dort haben wir mit Kartoffeln gedruckt.


Apropos, wie stellst du eigentlich deine schönen Plakatmotive her?

Das sind in der Regel Linolschnitte. Zuerst zeichne ich das Motiv, dann wird es übertragen und anschließend ausgeschnitten. Diese Technik hat ihre Besonderheiten. Sie ist lebendig, nicht so wie am Rechner, wo alle Linien extrem exakt sind. Beim Schneiden entstehen schon mal ein paar kleiner Fahrer, wo man ein wenig zu weit geschnitten hat. Auch der Linolschnitt zwingt zu gewissen Vereinfachungen bzw. zu Reduzierungen. Das macht das Ganze interessant. In einem der ausstellungsbegleitenden Workshops werden wir gemeinsam Linolschnitte fertigen.


Herzlichen Dank für das Gespräch!

CoCollage "Blauverschlossene Träume"

 

Wer die Seite bis hier hin gelesen hat, soll belohnt werden: “Frisch geschnitten” lautet der Titel unseres immerwährenden Kalenders, der während des Kunstsommers 2019 entstand und hier als PDF (54 MB) heruntergeladen und ausgedruckt werden kann.
Das “Kunstbesetzte Haus” in Gunzenhausen verwandelte sich dazu in eine historische Druckwerkstatt und lud unter der Leitung des Ellinger Künstlers Willi
Halbritter Kunstinteressierte und Kunstschaffende zu einer Ausstellung und zum aktiven Mittun ein.
In Workshops zum Abschluss des diesjährigen Kunstsommers entstanden die Linolschnitte für die Kalenderblätter, die künstlerisch arrangiert, mit einem
Kalendarium versehen und kunstfertig gedruckt, jeden Monat mit einem Motiv begleiten.

 

Die Kalenderblätter zum Durchblättern

Portrait Willi Halbritter

Kunstsommer-Partner 2019:
Willi Halbritter

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Ansprechpartner zum Thema Kunst

Peter Webert

Peter Webert

Kunsttherapeut
Kinaestheticstrainer

E-Mail:
peter.webert@regens-wagner.de