Das Projekt Mitklicken wird gefördert von der Aktion Mensch und richtet sich in erster Linie an Menschen mit Behinderung, deren Betreuer und Familien. Aber auch ältere Menschen, die keine oder nur geringe Erfahrung mit digitalen Medien haben, können die einfachen Schritt-für-Schritt-Anleitungen nutzen, um sich zu vernetzen und handlungsfähig zu sein.
Mitklicken dient dem Aufbau eines sicheren, vereinheitlichten Ausgangspunkts für Kommunikation, Kontakt und Interaktion von Menschen mit Einschränkungen als Teil der Gesellschaft – in Krisenzeiten und darüber hinaus. Ferner wird auch Mitarbeitern in Betreuung und Pflege geholfen, ihre hilfsbedürftigen Klienten digital zu befähigen und soziale Trennungen zu überwinden.
Interview mit Juliane-Sophia Weigand, Initiatorin von Mitklicken
Frau Weigand, Sie leiten die Offenen Hilfen von Regens Wagner im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen und haben „Mitklicken“ ins Leben gerufen. Was steckt hinter der Initiative?
Unser Dienst, die Offenen Hilfen, begleitet Menschen, die aufgrund einer Behinderung Unterstützungsbedarf haben. Die ambulante Hilfe gilt jenen, die in unserem Landkreis in eigenem Wohnraum leben. Die Ermöglichung eines selbstbestimmten Lebens ist dabei unser höchstes Ziel. Corona und die damit verbundenen Maßnahmen schränken die Möglichkeiten der Begleitung, wie sie bisher erfolgt ist, stark ein. Nicht wenige unserer Kunden zählen zur Corona-Risikogruppe. Statt ein selbstbestimmtes Leben zu führen, finden sie sich teilweise in der Isolation wieder. Diese Umstände konnten und können wir nicht ändern. Aber wir können deren Auswirkungen mittelfristig mildern. Indem wir Möglichkeiten aufzeigen, die Teilhabe und soziale Kontakte trotzdem möglich machen. Aber eben im digitalen Raum.
Und diese Möglichkeiten werden in den Anleitungen von „Mitklicken“ vermittelt?
Genau. Unsere Anleitungen erklären in einer Mischung aus Leichter und Einfacher Sprache und unterstützenden Illustrationen, wie man am Smartphone oder Computer vorgeht. Ausgerichtet sind sie insbesondere auf Menschen mit geistiger Behinderung, aber auch auf Menschen, die keine oder nur geringe Fähigkeiten im Umgang mit digitalen Medien und Endgeräten haben. Inhaltlich geschieht das in beherrschbarer Kleinteiligkeit, die jeden einzelnen – das ist zumindest unser Ziel – dafür notwendigen Schritt aufzeigt.
Damit sich Betroffene selbst helfen können?
Ja, das bleibt wichtig. Die meisten Menschen – egal ob mit oder ohne Behinderung – suchen, wenn sie etwas nicht können, aus Scham keine Hilfe für das, was offenbar jeder andere wie selbstverständlich macht. Die Anleitungen sollen Menschen in die Lage versetzen, auf ihrem Smartphone oder Computer elementare Anwendungen im Hinblick auf digitale Kommunikation zu nutzen.
Weil das gute alte Telefon out ist?
Weil das Telefon bei langer Trennung nicht reicht. Und gerade dadurch ist deutlich geworden, dass Menschen mit Unterstützungsbedarf im digitalen Raum an Barrieren stoßen, die sie nicht überschreiten können – selbst wenn bereits ein Smartphone oder ein Computer vorhanden ist. Manche Menschen können nicht einfach mit Whatsapp umgehen und schon gar nicht schnell mal eine App installieren.
Messenger, Apps, Internet – digitale Kommunikation ist ein weites Feld. Wo haben Sie angesetzt?
Unsere Anleitungen bauen aufeinander auf, denn der Grad an Fähigkeiten und Medienkompetenz ist sehr unterschiedlich. Das ist bei Menschen mit Behinderung nicht anders als bei Menschen ohne Behinderung. Entsprechend schwierig ist es, eine Grenze zu ziehen. Sprich: wie viel Grundlage kann und darf man voraussetzen. Schlussendlich haben wir uns entschieden, von grundlegendsten Kompetenzen auszugehen. Dazu gehört, ein Gerät ein- oder ausschalten zu können, sich mit seinem Benutzernamen am PC anzumelden oder das Smartphone zu entsperren.
Wir beginnen deshalb bei der Eingabe von Textinhalten in der Adresszeile eines Browsers und dem Umgang mit der Tastatur am Computer bzw. der Mini-Tastatur am Smartphone. Dann folgt eine Anleitung, in der weitere grundlegende Bedienvorgänge wie Scrollen, Blättern, Wischen, Vergrößern und Verkleinern vermittelt werden. In Anleitung drei lernen die Nutzerinnen und Nutzer, das Programm TeamViewer zu installieren und zu nutzen.
Warum TeamViewer? Eine Software für den Fernzugriff dient doch eher nur im weiteren Sinne der Kommunikation?
TeamViewer ist wichtig für die Selbstbestimmung. Wir wollen Kommunikation auf digitaler Ebene fördern. Damit ein soziales Miteinander trotz Distanz stattfinden kann. Menschen mit Behinderung sollen im digitalen Raum selbstbestimmt unterwegs sein können. Damit sie keine Assistenz an ihrer Seite benötigen oder mindestens selbst entscheiden können, wer behilflich sein soll. Über TeamViewer kann eine vertraute Person auf das eingesetzte Endgerät blicken und bei Schwierigkeiten weiterhelfen. Die vierte Anleitung widmet sich dann einem reinen Kommunikationsthema: der Videotelefonie.
Komme ich oder ein Verwandter auch an die Anleitungen?
Ja, die Anleitungen können von allen Menschen genutzt und kostenlos auf den Seiten von Regens Wagner Absberg heruntergeladen werden. Wenn man im Browser „mitklicken.de“ eingibt, wird man automatisch zum Angebot und den Anleitungen geführt. Zu jeder Anleitung steht zudem ein zugehöriges Wörterbuch zum Download bereit, das wichtige Begriffe erklärt.
Aber beißt sich da nicht die Katze in den Schwanz? Als Betroffener weiß ich doch möglicherweise erst nach einer Ihrer Anleitungen, wie das geht.
Eine Rampe für Rollstuhlfahrer ist auch nicht nur für diejenigen Rollstuhlfahrer, die alleine dort hochkommen. Manche müssen geschoben werden oder brauchen Hilfe dabei, diese Rampe überhaupt zu finden, und sind weiterhin auf die Unterstützung ihrer Mitmenschen angewiesen. So ist es auch mit unseren Anleitungen. Das ist die altbekannte Henne-Ei-Problematik.
Wie wird es mit den Mitklicken-Anleitungen weitergehen?
Neben neuen Anleitungen geht es darum, die bisher erschienenen zu verbessern.
Die Anleitungen entstehen in agiler Methode. Das heißt, Verbesserungen und Weiterentwicklungen sollen mit den Menschen, die sie nutzen, identifiziert werden.
Wir arbeiten, auch dank der Unterstützung von Aktion Mensch, mit Profis aus der IT- und Medienentwicklung zusammen, die ein agiles Vorgehen empfehlen, wenn nicht unmittelbar klar ist, wo man ansetzen und wie weit man gehen soll. Jetzt stehen die ersten Versionen der Anleitungen bereit und sollen gemeinsam, den Bedürfnissen entsprechend, weiterentwickelt werden.
Das heißt, Sie freuen sich über das Feedback der Nutzer?
Unbedingt! Wir wünschen uns sogar ganz stark die Rückmeldung aller Menschen, die von den Anleitungen profitieren können – sogar von denjenigen, die wir vielleicht noch gar nicht im Blick haben. Letztendlich geht es darum, dass jeder Zugang zu unseren Anleitungen erhalten kann und wir stetig miteinander Hindernisse beseitigen. Das ist unser Auftrag, so ermöglichen wir gesellschaftliche Teilhabe und Selbstbestimmung auch im digitalen Raum.